Das PFH wird 150 – und erhält ein wertvolles Digitalisat als Geburtstagsgeschenk

1874 gründete die Pädagogin Henriette Schrader-Breymann den „Berliner Verein für Volkserziehung“, aus dem das heutige Pestalozzi-Fröbel-Haus (PFH) entstand. Als großangelegtes Projekt der Frauenbewegung zielte es darauf, die patriarchale Gesellschaft zu verändern und bürgerlichen Frauen in Deutschland neue Bildungs- und Berufschancen zu eröffnen. In diesem innovativen, feministischen Bildungs- und Vernetzungshub, zu dem das PFH schnell wurde, erreichten die reformerischen Projekte der Frauen internationale Bekanntheit und Wirksamkeit. Zu Recht wird diese Leistung, die bis heute traditionsbewusst weitergeführt wird, in diesem Jahr umfangreich gefeiert.

Am 9. Oktober 2024 bildete ein festlicher Empfang im Rathaus Schöneberg einen Höhepunkt im Jubiläumsjahr. Zu dieser feierlichen Gelegenheit wurde auch die ebenfalls kurz vor einem Jubiläum stehende Zusammenarbeit des Alice Salomon Archivs der ASH Berlin und des Archivs des PFH gewürdigt. Denn bereits im Jahr 2000 – kurz nach der Verlegung der ASH Berlin vom Gelände des PFH an den heutigen Standort der Hochschule in Berlin Hellersdorf – wurde das „Archiv- und Dokumentationszentrum für soziale und pädagogische Frauenarbeit“ ins Leben gerufen und rahmt seitdem die rege Zusammenarbeit der beiden Archive.

Diese knapp 25 Jahre währende Kooperation geht nun in eine neue Phase. Ein bedeutender Schritt ist die räumliche Erweiterung des ASA im Neubau der ASH in Hellersdorf. Diese Erweiterung, die dringend für den langfristigen Erhalt der Archivalien notwendig ist, bildet den Anstoß, die Räumlichkeiten der Archive in Raum 111, Haus III, zu einem “besonderen Bildungsort” umzugestalten. Digitale Ausstattungselemente sollen ab dem nächsten Jahr die Bildungsangebote unterstützen, während gleichzeitig der historische Kontext des Ortes spürbar bleiben wird.

Die Kooperation hat historische Wurzeln: Sie knüpft an die 1925 gegründete “Deutsche Akademie für soziale und pädagogische Frauenarbeit” an, bei der Alice Salomon und die Co-Leiterinnen des PFH, Lilli Droescher und Hildegard von Gierke, im Vorstand aktiv waren. Diese Akademie qualifizierte ausschließlich Frauen für Leitungspositionen in der Sozialen Arbeit, bevor sie 1933 aufgelöst wurde, um jüdische Kolleg*innen vor der nationalsozialistischen Verfolgung zu schützen.

Auch wenn die Archivalien des ASA verlegt werden, soll die gemeinsame Nutzung essenzieller Archivdokumente doch weiter möglich bleiben. Bereits vor zwei Jahren – anlässlich des 150. Geburtstags von Alice Salomon – wurde die im Besitz des PFH Archivs befindliche Personalakte Alice Salomons digitalisiert, der ASH feierlich geschenkt und ist seitdem im ASA nutzbar. Im Gegenzug schenkte die ASH nun dem PFH Archiv ein anderes bedeutsames Dokument und ermöglicht damit dessen weitere Nutzung durch PFH-Archivbesucher*innen.

Abgebildet ist eine Nachbildung einer Einlegekarte und einer Karteikarte der Jugendheim-Schülerinnenkartei zusammen mit dem USB-Stick, auf dem das Digitalisat gespeichert ist.
Nachbildung einer Einlegekarte und einer Karteikarte der Jugendheim-Schülerinnenkartei zusammen mit dem Digitalisat auf einem USB-Stick

Dabei handelt es sich um ein Digitalisat der Schülerinnenkartei des Jugendheims Charlottenburg e.V., das – ähnlich wie das PFH – verschiedene sozialpädagogische Ausbildungsgänge anbot. Das Jugendheim wurde 1934 von den Nazis zwangsweise geschlossen, die Ausbildungsgänge, Schülerinnen und einige Angestellte – bis auf die jüdischen, die ihre Ausbildung nicht mehr beenden durften – gingen an das PFH über. Zu den Angestellten zählte auch die Sozialsekretärin Ingrid Roeder, die an das von Alice Salomon gegründete Seminar für Soziale Arbeit ging und die Stelle der dortigen Sekretärin Ilse Vahlen übernahm, die aufgrund ihrer jüdischen Herkunft ebenfalls entlassen worden war. Roeder trat deren Nachfolge an und blieb bis 1961 auf dieser Stelle tätig.

Die Jugendheim-Kartei in Holzkästen im Alice Salomon Archiv

Ingrid Roeder hatte nach eigener Aussage einige Unterlagen aus dem Jugendheim “gerettet”. Zu diesen gehörte die Schülerinnenkartei, die Informationen zur Biographie und zur Ausbildung der dort verzeichneten Personen enthält.

Diese Kartei spielte auch in den gegen die Bundesrepublik geführten Entschädigungs- und Wiedergutmachungsverfahren von vertriebenen, enteigneten und anderweitig Geschädigten des NS-Regimes und ihren Angehörigen eine große Rolle. Heute gehört sie zu den häufig genutzten Dokumenten beider Archive. Dank der Digitalisierung ist sie nun deutlich besser zugänglich.


*Beitragsbild: Die Prorektorin der ASH Berlin Prof. Dr. Gesine Bär und der Direktor des PFH Prof. Ludger Pesch bei der Übergabe des Digitalisats